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4.03.2004

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Flitterwochen mit der Regierung

Argentiniens «gefährliche Klasse» - Die Stadtsoziologin Maristella Svampa über das Sichherheitsbedürfnis des Mittelstands, den Machismo und die Piqueteros, die Bewegung der Arbeitslosen.
Von Eva-Christina Meier
© Die Wochenzeitung, Zürich, 04.03.2004

Eva-Christina Meier: Wie stehen die Piqueteros, die organisierten Arbeitslosen in Argentinien, zur Politik der Regierung von Nestor Kirchner?
Maristella Svampa: Die Piqueteros vertreten sehr unterschiedliche Auffassungen. Es gibt eine Strömung, die den oppositionellen Gewerkschaften nahe steht und eher populistisch argumentiert. Sie begreift die Regierung Kirchners, als ein neues «nationales Projekt», das es zu unterstützen gilt. Daneben gibt es eine zweite grosse Richtung, die zu den Parteien der orthodoxeren Linken neigt. Sie sieht in der Regierung Kirchners lediglich die Fortsetzung vorheriger, neoliberaler Politik. Und es gibt als Drittes eine autonome Fraktion, die antikapitalistisch, aber auch pragmatisch agiert. Sie ist territorial auf ihre Stadtviertel konzentriert und versucht, bei aller Kritik an Kirchner, eine offene Konfrontation mit der Regierung zu vermeiden.

Der Linksperonist Kirchner wurde letztes Jahr von einer Welle der Sympathie ins Präsidentenamt getragen. Wie ist die Stimmung heute?
Der Peronismus ist eine soziale Kraft, die verschiedene politische Richtungen integriert. Kirchner repräsentiert so etwas wie einen Peronismus der siebziger Jahre, aber ohne die spezielle klassenkämpferische Note. Er steht für das Versprechen eines versöhnlichen, sozialen Fortschritts. Das steht im Widerspruch zum neoliberalen Peronismus der neunziger Jahre. Besonders die Mittelschichten setzen hohe Erwartungen in seine Regierung. Und das ist auch nach zehn Monaten noch so. Der Lebensstandard der Leute hat sich zwar nicht wirklich verbessert, Millionen von Argentiniern sind weiterhin fürchterlich arm, aber, die Art wie Kirchner mit dem Internationalen Währungsfonds verhandelt, die Verbrechen der Militärs verfolgen oder den korrupten Obersten Gerichtshof ausmisten lässt, wird von vielen Argentiniern begrüsst und hilft, die verlorene Selbstachtung zurück zu gewinnen.

Wie stark sind Rivalität und politische Konkurrenz zwischen den Organisationen der argentinischen Arbeitslosenbewegung ausgeprägt?
Innerhalb der weit zersplitterten Arbeitslosenbewegung gibt es populistische Strömungen, die hierachisch organisiert und besonders anfällig für Vereinnahmungen der Regierung sind. Das argentinische Modell wirkt sehr integrativ. So werden die Arbeitslosengelder von den Piquetero-Bewegungen teilweise selbst verwaltet. Organisationen mit Kontakt zur Regierung geniessen bei der Verteilung der Gelder Vorteile. Das hat zu bösen Streits unter den Piquetero-Organisationen geführt, was dem Ruf der Arbeitslosenbewegung insgesamt geschadet hat. Wie gross die Spaltung heute ist, wurde am 20. Dezember deutlich. Zum zweiten Jahrestag der Ereignisse, die zum Sturz der Regierung Fernando de la Rua führten, gab es fünf verschiedene Demonstrationszüge. Die konkurrierenden Piquetero-Gruppen besetzten nacheinander die Plaza de Mayo, aber sie vereinigten sich niemals.

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