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8.01.2004

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Keine Entschuldigung aus Berlin

Der Völkermord an den Herero. Vor hundert Jahren erhob sich die afrikanische Bevölkerung gegen das deutsche Kolonialregime in Namibia.
Von Jost Müller
© Die WochenZeitung, Zürich, 08.01.2004

und militärischer Führung setzte sich das deutsche Apartheidregime politisch durch. Noch während des Kriegs waren die Stämme enteignet worden, ihre politischen Organisationen waren in Auflösung begriffen. Auf der Grundlage dieser weitreichenden Veränderung der sozialen Struktur konnte auf Leutweins Konzept des „Arbeitsmaterials“ zurückgekommen werden, zumal Kolonialgesellschaften wie Siedler über Arbeitskräftemangel klagten. Langsam wurde daher das im KZ-System existierende Zwangsarbeitsregime abgelöst. Noch Leutweins Nachfolger Friedrich von Lindequist bezeichnete dieses als „ein Glück“ für die Herero, weil sie so, „bevor ihnen die volle Freiheit zurückgegeben wird, arbeiten lernen“. Dem entsprach die Haltung der meisten deutschen Siedler, die, um die „Eingeborenen“ zur Arbeit zu erziehen, keineswegs auf das Recht zur Prügelstrafe verzichten wollten. Der Verpflichtung entledigt Der Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika beeinflusste auch die politischen Kontroversen in Deutschland, vor allem im Jahr 1906, dann in den so genannten „Hottentotten-Wahlen“ von 1907. Die Kolonialpolitik bildete zuvor, bis auf die Debatten um die Bismarckschen Dampfersubventionen, die 1884/85 dessen abrupte Wendung zur forcierten Kolonisation einleiteten, eher ein Randphänomen deutscher Politik. Sie war in Deutschland fast reine Kabinettspolitik. Seit 1905 nahm jedoch der Streit um die Kolonialpolitik zu. Insbesondere der Politiker der katholischen Zentrumspartei, Matthias Erzberger, der 1921 von zwei Marineoffizieren ermordet wurde, suchte die Kolonialverwaltung und das brutale Vorgehen von Kolonialbeamten und Soldaten aufzudecken. Seine Kritik zielte aber nicht auf eine Abschaffung des Kolonialsystems, sondern auf dessen Reform. Unter der Parole einer „sozialistischen Kolonialpolitik“ folgte schließlich auch die oppositionelle Sozialdemokratie mehr und mehr diesem beschränkten Ansinnen. Im Ersten Weltkrieg musste sich die deutsche Kolonialmacht aus allen Kolonien zurückziehen. Als im März 1919, nach Abdankung des Kaisers und Novemberrevolution, der deutschen Nationalversammlung in Weimar ein Antrag mit der Forderung nach „Wiedereinsetzung Deutschlands in seine kolonialen Rechte“ vorlag, stimmten 414 Abgeordnete für diesen Antrag, nur noch 7 Gegenstimmen waren zu zählen. „Das Deutsche Reich“, so erklärte 1927 Konrad Adenauer, der damalige Kölner Oberbürgermeister und spätere erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, „muss unbedingt den Erwerb von Kolonien anstreben. Im Reiche selbst ist zu wenig Raum für die grosse Bevölkerung.“ Seit 1931 war Adenauer stellvertretender Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft. Der kolonialpolitische Hochmut der Konservativen scheint noch heute ungebrochen. Staatsbesuche in Namibia waren bisher von diplomatischen Missgriffen der deutschen konservativen Repräsentanten begleitet. So drückte Bundeskanzler Helmut Kohl im September 1995 einen Empfang für die deutschsprachige Minderheit Namibias im offiziellen Programm

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