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Vorwort

Aus:
Loving The Alien, Seite 5-16

Von Diedrich Diederichsen

Unterlassungen, Übertreibungen und Umleitungen aufzuklären, die bei der Faszination für kulturelle Importware anfallen und dies vor allem dadurch zu tun, daß man die Inhalte, Genealogien, Motive und unterschiedlichen Bedeutungsrahmen der importierten kulturellen Artefakte rekonstruiert. Im Gegensatz zu vielen politischen Veranstaltungen, die sich aus dekorativen Gründen mit unverbundenen kulturellen Darbietungen schmücken, ging diese Veranstaltung den umgekehrten Weg: Sie setzte die ohnehin wirksame kulturelle Faszination in Beziehung zu ihren impliziten und expliziten Inhalten, was vor allem in dem Bereich besonders spannend war und ist, wo nicht viele Worte fallen, wie z.B. bei instrumentalem Free Jazz oder elektronischer Musik. Das heißt nicht, daß man nicht auch primär politische Veranstaltungen machen kann, sondern daß man kulturelle Veranstaltungen anders machen kann und sollte. Entsprechend abwegig erscheint mir der Einwand, es wären keine konkreten Flüchtlinge zu Wort gekommen. Nicht jede Veranstaltung kann sich um jedes Thema kümmern, und es wäre sicherlich eine gute Idee, sich auch einmal die Frage zu stellen, wie es kommt, daß bestimmte Geschichten und Images mit politischem Hintergrund in Pop- Erzählungen eingehen und andere nicht – aber dies war nicht unsere Idee. Weil aber normalerweise Pop-Kultur von jedem und vor allem jeder Institution verstanden und verwendet werden kann, schien es dringend nötig, solche Auslegungsprozesse und ihre Mechanismen zu thematisieren. Die Projektions- und Auslegungssprache Deutsch bietet normalerweise einen Schutzraum für die auf oft nur notdürftig oder halb verstandenen englischsprachigen Originalen und deutschen Bedürfnissen basierenden Interpretationen. Wenn alle deutschen Sprecher "broken english" sprechen, können sie ihre Interpretationen nicht vor den englischsprachigen Mitdiskutanten verbergen. Daher stammt die viel kritisierte und natürlich angreifbare Idee, das von Marianne Faithful in ihrem berühmten gleichnamigen Song als Charakteristikum deutscher Terroristen der 70er beobachtete "broken english" zur Konferenzsprache zu machen.
         Drei Themen wurden auf der Konferenz viel diskutiert, die wir gar nicht so vorgesehen und vorausgesehen hatten. Zum ersten wäre das die Frage der Funktion von Cultural Studies und was das in Deutschland sein könnte. Die Veranstaltung wurde von vielen Anwesenden wie ein Beitrag zu dieser geheimen Auseinandersetzung gelesen: als ein Vorschlag, wie akademische Auseinandersetzungen oder "Gegen-Unis" auszusehen hätten. Und natürlich stellte "Loving The Alien" auch – ob absichtlich oder nicht – einen Beitrag dazu dar, der allerdings nicht weiter ging, als die Frage zu stellen, ob man pop- und gegenkulturelle Debatten, vielleicht kulturkritische Debatten an sich, auf eine Theaterbühne bringen kann – alle anderen Vorschläge z. B. in Bezug auf Methoden, Gegenstände etc. sind so einzigartig nicht. Diese Bühnenproblematik, die auch oft im Zusammenhang mit dem erweiterten Kulturprogramm der Volksbühne diskutiert worden ist, war sicher in vielen Punkte nicht durch dacht. Neben gelungenen Bühnen-Momenten, zu denen natürlich die Musiker des Sun Ra Arkestra viel beitrugen, gab es ungeplante Längen, nicht geführte Diskussionen und zähe Dramaturgie zu beklagen. Interessanterweise fanden viele, daß der letzte Tag, der vor allem immer wieder von Filmen unterbrochene kurze Statements im kleineren "Roten Salon" brachte, am besten aufgebaut war. Die Projektionen auf und Kontroversen um Cultural Studies entzündeten sich aber oft an grundsätzlichen Problemen, zu denen diese Veranstaltung nur den zeitgemäßen Anlaß gab: Darf man akademisch über Pop- Musik, Jazz und verwandte Gegenstände reden oder sind die dafür zu vital? (Müssen Ornithologen zwitschern?) Das Bonmot "German academia trying to get sexy", das Isaac Julien auf einer anderen Veranstaltung zum Besten gegeben hatte, war schon allein deswegen wenig passend, weil die German academia kaum auf der Bühne saß – die einzigen namhaften Akademiker kamen aus den USA und GB. Vor allem aber, weil etwas mehr akademische Disziplin der Veranstaltung gerade nicht geschadet hätte und die international sexyness hier zuweilen daran scheiterte, akademisch zu werden – wenn man unter diesem Aspekt der Veranstaltung folgen will. Die Cultural Studies-Frage würde sich allerdings anders stellen, wenn es in Deutschland auch nur eine halbwegs erträgliche Populär- und Minoritärkulturwissenschaft gäbe, die von Volumen und Niveau mit dem kleinsten und gemeinsten Campus des Bible Belt oder von Yorkshire mithalten könnte.
         So ist natürlich jede Veranstaltung dieser Art nicht nur für die Kompensation aller möglichen Versäumnisse zuständig, sondern

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Loving The Alien
Diedrich Diederichsen (Hg.)
Science Fiction, Diaspora, Multikultur
224 Seiten
1. Auflage 1998
ISBN: 3-89408-076-0
Preis: € 18   sFr 33 
(zzgl. Porto+Versand)
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