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8.01.2004

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Keine Entschuldigung aus Berlin

Der Völkermord an den Herero. Vor hundert Jahren erhob sich die afrikanische Bevölkerung gegen das deutsche Kolonialregime in Namibia.
Von Jost Müller
© Die WochenZeitung, Zürich, 08.01.2004

„Fischer lehnt Entschuldigung ab“, lautete die lapidare Pressemeldung, als am 30. Oktober letzten Jahres der Aussenminister der rot-grünen Regierung auf seiner Afrikareise auch Namibia besuchte. Am 12. Januar 1904 hatten sich dort die Herero gegen die deutsche Kolonialmacht erhoben und zunächst recht erfolgreich gekämpft. Doch als sie im August bereits militärisch besiegt waren, begannen die Schutztruppen unter dem Kommando von Generalleutnant Lothar von Trotha, einen genozidalen Verfolgungskrieg. Ab Ende 1904 richteten sie auf Geheiss des damaligen Reichskanzlers Bernhard von Bülow, so wörtlich, „Konzentrationslager für die einstweilige Unterbringung und Unterhaltung der Reste des Hererovolkes“ ein. Seit dem 21. März 1990 unabhängig, liegt die Republik Namibia auf einem Territorium, das zwischen 1892 und 1914 als Deutsch-Südwestafrika die wichtigste Kolonie des Deutschen Reichs bildete. In dessen Rechtsnachfolge hat sich die Bundesrepublik Deutschland bei ihrer Gründung 1949 gestellt. Mit der Ablehnung jeder Entschuldigung bewegt sich die gegenwärtige Regierung in der Kontinuität des Umgangs mit den Verbrechen und dem Terror der so genannten Schutztruppen in der Kolonie. Das deutsche Apartheidregime Historikerinnen und Historiker aus verschiedenen Ländern haben in den letzten Jahren begonnen, den Vernichtungsfeldzug gegen die Herero und das erste deutsche KZ-System, das immerhin etwa drei Jahre bestand, genauer unter die Lupe zu nehmen. So trugen zuletzt Jürgen Zimmerer und Jochen Zeller Berichte, Fotos und verschollen geglaubte Zeugenaussagen zusammen, die den Terror der Schutztruppen im Detail dokumentieren. Eine Bagatellisierung oder Verleugnung der kolonialen Verbrechen scheint so kaum noch möglich. Die jüngere Geschichtswissenschaft wendet sich dabei gegen die bis in die heutige Zeit übliche Rede von den „Eingeborenen“ und „Ureinwohnern“. Die afrikanischen Gesellschaften waren vor der Ankunft der europäischen Kolonisatoren weder „stationäre und statische Gemeinschaften“ noch ohne eigene Geschichte Tatsächlich trafen die deutschen Schutztruppen auf eine sich dynamisch entwickelnde afrikanische Gesellschaft. Migrationsbewegungen kennzeichneten sie ebenso wie Kämpfe und Rivalitäten um politische Hegemonie. Alle möglichen Bündniskonstellationen entstanden zwischen bereits ansässigen und nomadischen sowie erst spät im ausgehenden 18. Jahrhundert eingewanderten Stämmen. Politische Diplomatie, Korrespondenz und Kommunikation waren auch unter deren Chiefs gängige Praxis. „Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ‚Nama’ und ‚Herero’ im 19. Jahrhundert, ein zentraler Topos der Geschichtsschreibung“, so schreibt etwa die Historikerin Gesine Krüger, „beruhten weniger auf ethnischen Konflikten als auf Raubzügen und Vergeltungsschlägen jeweils unterschiedlicher Bündnisse.“ Das sollte sich ändern. Europäische Missionare, Siedler, Forschungsreisende und deutsche Behörden begannen die Stammesorganisationen der afrikanischen Gesellschaft

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