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4.03.2004

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Flitterwochen mit der Regierung

Argentiniens «gefährliche Klasse» - Die Stadtsoziologin Maristella Svampa über das Sichherheitsbedürfnis des Mittelstands, den Machismo und die Piqueteros, die Bewegung der Arbeitslosen.
Von Eva-Christina Meier
© Die Wochenzeitung, Zürich, 04.03.2004

Konnten Sie sich als städtische Intellektuelle und als Frau, ungehindert unter den Piqueteros bewegen?
In meinem persönlichen Fall konnte ich mich ungestört bewegen, abgesehen von den Vorurteilen, mit denen mir einige Anführer begegneten. Mir war aber diese Welt bereits ziemlich vertraut, durch meine früheren Recherchen in Armutsvierteln und Fabriken. Aber, es ist auch kein Zufall, dass ich einem Mann, Sebastian Pereyra, vorschlug, die Untersuchung für das letzte Buch gemeinsam zu machen.

Welche Rolle spielt der Machismo in der Bewegung?
Die Frauen haben eine starke Präsenz in der Bewegung und waren entscheidend für ihre Entstehung. Aber auf nationaler Ebene haben nur wenige eine leitende Funktion inne. Das hat neben den existierenden patriarchalen Elementen der Alltagskultur vor allem damit zu tun, dass Frauen im Unterschied zu den Männern bislang wenig politische oder gewerkschaftliche Praxis sammeln konnten. Aber jetzt haben sie damit begonnen.

Sehen Sie hier einen grossen Unterschied zu den argentinischen Mittelschichten oder anderen Arbeitermillieus?
In der bürgerlichen Klasse hat sich die Demokratisierung des Geschlechterverhältnisse weitgehend durchgesetzt. Für die Arbeiterklasse sehe ich das nicht. Ein populäres Sprichwort sagt: «Der Mann bringt das Brot, die Frau deckt den Tisch».

Was hat sie bei Ihren Recherchen am meisten beeindruckt?
Ich möchte nichts verklären. Beeindruckt hat mich jedoch die Zähigkeit, mit der die Piqueteros sich in aussichtslosen Situationen selbst zu helfen wissen. Bis 2001 bekamen sie so gut wie keine staatlichen Hilfen. Einmal war ich bei einer Gruppe des Movimiento de Trabajadores Desocupados (MTD) in Florencio Varela. Sie zeigten mir ein Werkzeug, das sie selbst hergestellt hatten, um Land zu bearbeiten. Es war ein unfassbar grobes, mangelhaftes Gerät. Und sie waren so stolz darauf und haben es mit dem Zeichen des MTD versehen. Ich musste mich zusammenreissen, um nicht los zu heulen. Was wurde in diesem Land in den letzten Jahren alles zerstört! Argentinien hatte eine starke Arbeiterklasse - und jetzt dieser unglaubliche Grad an Verarmung.

Wie steht es zur Zeit um die vielen besetzten Fabriken?
Die besetzten Fabriken befinden sich in den Flitterwochen mit der Regierung Kirchners. Sie hat vielen die Umwandlung in legale Kooperativen ermöglicht. Im ganzen Land gibt es über 150 selbstverwaltete Fabriken. Einige von ihnen, wie Ceramica Zanon in der südlichen Provinz Neuquen, sind immer noch von der Räumung bedroht, konnten aber ihren Verkauf auf den gesamten Inlandsmarkt ausdehnen. Im Einzelfall muss jedoch geregelt werden, wer die von den vorherigen Unternehmen hinterlassenen Schulden der aufgegebenen Fabriken bezahlt.

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