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Krieg ist eine biopolitische Maschine
Toni Negri über die Grundlage der Politik im Empire und die Fluchtlinien der Multitudes
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Interview von Thomas Atzert
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Besteht die Regression, die Reanimation strategischer Konzepte der Reagan-Administration nicht genau in der Hinwendung zu den »alten« Industrien, in der Hinwendung auch zu den bekannten strategischen Interessen? Der imperiale Prozess entspringt einem Ringen zwischen Monarchie und Aristokratie, zwischen monarchischer Macht und imperialen Aristokratien, an dessen Ausgangspunkt der Bruch zwischen einem wesentlichen Teil des US-Kapitals und den arabischen Ländern stand. Daneben entstehen immer neue Widersprüche. Bush bezeichnete mit »Achse des Bösen« in negativer Weise drei Knotenpunkte dieser Entwicklung. Der erste Punkt ist der Irak: Es geht dort auch und vor allem um die Energieversorgung Europas, das heißt, der Irak steht aus Bushs Sicht für das Problem Europa, für die Verhältnisse rund ums Mittelmeer, den israelisch-palästinensischen Konflikt, die allgemeinen Fragen der Energieressourcen. Der zweite Punkt Bushs war der Iran, und dieser Punkt verweist auf die Einflusszonen der ehemaligen Sowjetunion, also genauer auf die Entwicklung und die Ressourcen in Vorderasien. Und dann, als dritter Punkt, Nordkorea, was direkt China betrifft und den gesamten asiatisch-pazifischen Raum einschließt. Doch es ist undenkbar, dass die USA Krieg gegen den Irak führen, ohne dass sie von den imperialen Aristokratien unterstützt werden. Man muss sehen, ob Chirac und Schröder, als nationale Repräsentanten wichtiger Fraktionen dieser Aristokratien, geneigt sein werden, die Rechnung dieses Kriegs zu bezahlen. Angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation glaube ich das nicht. Weder sie noch die Japaner werden zahlen, und noch weniger die »gemäßigten« arabischen Regimes. Kurz: Die USA stehen vor großen Schwierigkeiten, realen Schwierigkeiten, die ein schneller Krieg, ein Blitzkrieg im Irak, kaum zu überwinden in der Lage sein wird.
Konstituiert der Krieg also das Empire? Handelt es sich um einen permanenten Krieg? Welche Bedeutung wird er in Zukunft haben? Der imperiale Krieg ist ein »ordnender Krieg«: Er ist destruktiv und errichtet gleichzeitig eine Ordnung. Das eine geht aus dem anderen hervor, ein wenig wie bei einer Matrjoschka. Wir sehen in diesem Krieg ein Moment der imperialen Souveränität. Es geht um den Übergang von Disziplin zu Kontrolle, von der Disziplinierung individueller Verhaltensweisen zur Kontrolle der »Massen«. Die Souveränität präsentiert sich als ein Set von Regierungstechniken, die sich nicht länger nur auf die Individuen richten, sondern auf den gesamten Zusammenhang, in denen das Leben sich reproduziert. Diese Biomacht interveniert immer mehr in die Verhältnisse des Lebens, indem sie versucht, sie zu konstruieren, zu artikulieren und zu dominieren, und zwar von Beginn an, in ihrer gesamten Entwicklung, in allen Formen. Krieg fügt sich in dieses Muster ein. Er ist eine biopolitische Maschine, die sich über die Zerstörung der feindlichen Armeen hinaus bewegt; sie entwickelt sich im Versuch, das Leben der Massen, der Bevölkerungen, der Multitudes, mit denen sie in Berührung kommt, vollständig zu organisieren. Der Krieg definiert Grenzen, das heißt, und wir konnten das am Krieg im ehemaligen Jugoslawien sehen, dass der Krieg die politische Geografie einer Region völlig neu konstruiert. Krieg interveniert, um Regierungen einzusetzen, er interveniert, um Gerichte einzusetzen und die Besiegten abzuurteilen, um Nichtregierungsorganisationen einzusetzen. Das Leben der Bevölkerungen wird durch Krieg in neue Formen und in eine neue globale Hierarchie der Kontrolle eingefügt, der Kontrolle über die Produktion, über die Mobilität, über Ressourcen und so weiter.
Krieg als »biopolitische Maschine«: Bedeutet das eine Militarisierung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, die Militarisierung der Politik? Die Kriege seit dem Ende des Kalten Kriegs zeigen die Perfektionierung der biopolitischen Dimension des Kriegs. So betrachtet war der Irakkrieg von 1991 eine Art Matrix der Gesamtheit der Techniken, die in der neuen Art des Kriegs Verwendung finden und die ihn definieren. Diese Techniken verwischen die Differenz zwischen Polizeimaßnahmen und Krieg. Das Empire ist global, es kennt kein Außen. Die Armeen müssen in der Lage sein, die Ordnung im Innern durchzusetzen oder neu zu errichten. Die Polizei- und die militärischen Funktionen bilden eine Art Kontinuum und es ist schwer zu unterscheiden, wo eine Polizeiaktion hoher Intensität endet und eine militärische Aktion niedriger Intensität beginnt. Was wir beispielsweise in Genua erlebt haben, während der Demonstrationen gegen das Treffen der G 8, zeigte wie unscharf die Unterscheidungen zwischen diesen Aktionen sind. Doch ist diese Ununterscheidbarkeit nicht die einzige Veränderung. Das militärische Vorgehen ist heute eine Verallgemeinerung der Contraguerilla, die alltägliche Aufstandsbekämpfung mit sehr ausdifferenzierten Strukturen. Die Regierung Karzai in Afghanistan ist dafür ein Beispiel, sie besitzt keine Legitimität, sie muss sie sich vielmehr im fortgesetzten Krieg erobern. Der Krieg wird so zum Ursprung der Legitimität. Während der Krieg in der Moderne ein Instrument blieb, dessen Anwendung nur legitim war, um die Ordnung wieder herzustellen, wird der Krieg nun ein Instrument, um die Legitimität zu fundieren. Das ist eine gravierende Veränderung. Clausewitz dachte – zu seiner Zeit zu Recht –, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik unter anderen Vorzeichen; heute hingegen ist der Krieg Grundlage der Politik. Der »ordnende Krieg« verteidigt nicht das Recht, sondern er setzt das Recht, begründet die Legitimität. Foucault hat das in den siebziger Jahren bereits verstanden, aber wir sehen nun diese Entwicklung in ihrer Praxis.
Was bedeutet es heute, gegen den Krieg zu mobilisieren? In der kommunistischen Tradition gibt es ein Gegenstück zum Pazifismus: die soziale Revolution oder der revolutionäre Bürgerkrieg. Welche Perspektive lässt sich nun bestimmen? Die Bewegungen gegen den Krieg können nicht eine einfache Wiederholung von Pazifismus im Kalten Krieg sein, sondern müssen direkt in die biopolitischen Prozesse der imperialen Konstitution eingreifen und ihr zugleich im positiven Sinne etwas entgegensetzen. Es ist klar, dass beispielsweise der Krieg gegen den islamistischen Terrorismus, der Krieg gegen die »gemäßigteren« Diktaturen, wie die von Saddam Hussein – alle Welt weiß, dass Saddams Regime viel mehr mit einem »gemäßigten« wie dem von Mubarak gemein hat als mit dem islamistischen Extremismus –, dass dieser Krieg etwas ist, das uns zwingt, Position zu beziehen. Krieg und Polizeimaßnahmen sind direkt gegen jeden Versuch der Multitudes gerichtet, sich zu organisieren. Wenn ich davon sprach, dass der Krieg ein »ordnender Krieg« ist, dann bedeutet es genau das: Das Problem ist, wie es gelingen kann, die allgemeine Reproduktion des gesamten Systems zu erschüttern. Es reicht nicht aus, es zu destabilisieren, es bedarf der Fähigkeit, es in seinen Strukturen zu zerstören. Das ist die Frage des Widerstands und des Exodus, der Verweigerung und des Gegenentwurfs. Es geht darum, wie es den Bewegungen und Bevölkerungen gelingen kann, den Nationalstaat zu durchkreuzen und sich die Metropolen anzueignen. Die Multitude wird tatsächlich
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