8.01.2004
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Keine Entschuldigung aus Berlin
Der Völkermord an den Herero. Vor hundert Jahren erhob sich die afrikanische Bevölkerung gegen das deutsche Kolonialregime in Namibia.
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Von Jost Müller © Die WochenZeitung, Zürich, 08.01.2004
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durch und begrüsste die Geladenen bei dieser Gelegenheit unter deren Beifall, in Anwesenheit des namibischen Staatspräsidenten als „liebe Landsleute“, um dann ihre besonderen Verdienste bei der Entwicklung des Landes herauszustreichen. Bundespräsident Roman Herzog hatte im März 1998 anlässlich seines Besuchs nichts Eiligeres zu tun, als im Sinn der deutschsprachigen Minderheit, die ihren privilegierten Sprachstatus beibehalten wollte, die namibische Sprachpolitik zu rügen.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte sich zunächst anders vernehmen lassen. Auf der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban Anfang September 2001 betonte Aussenminister Fischer: „Vergangenes Unrecht lässt sich nicht ungeschehen machen. Aber Schuld anzuerkennen, Verantwortung zu übernehmen und sich seiner historischen Verpflichtung zu stellen, kann den Opfern und ihren Nachkommen zumindest die ihnen geraubte Würde zurückgeben. Ich möchte dies deshalb hier und heute für die Bundesrepublik Deutschland tun.“ Doch mit diesem letzten Satz scheint der „historischen Verpflichtung“ auch schon Genüge getan. Kein Wort weiter über die deutschen Staatsverbrechen in den Kolonien, von Reparationen ganz zu schweigen, keine Geste der Versöhnung.
Im Herbst 2003 stellte Fischer der Regierung in Windhoek lediglich eine Aufstockung der Entwicklungshilfe in Aussicht, allerdings unter dem Vorbehalt, dass es in Deutschland zu einem wirtschaftlichen Aufschwung komme. Er setzt damit die bereits unter der Regierung Kohl verfolgte Linie fort: Entwicklungspolitische Zusammenarbeit, zwischenstaatliche Abkommen mit der namibischen Regierung sollen genügen, um der „besonderen Verantwortung“ gerecht zu werden.
In Kreisen des deutschen Aussenministeriums wie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist man offenkundig nach wie vor der Auffassung, dass Deutschland sich auf besondere Weise für eine neue Weltpolitik eigne, da es eine „vergleichsweise weniger belastete koloniale Vergangenheit“ habe.
Aussagen, denen sich Historiker Zimmerer und Zeller oder Hennig Melber, Forschungsdirektor des „Nordic Africa Institute“ in Uppsala, keineswegs anschliessen. Namibia hat, so Melber, bis heute „unter den strukturellen Deformationen auch einer deutschen Kolonialherrschaft zu leiden“, unter der die Apartheid im Lande ihren Anfang genommen hat. Und so wäre eine offizielle Entschuldigung schliesslich eine erste Anerkennung dieser Schuld, nicht mehr und auch nicht weniger.
Literatur: Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller (Hg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin: Christoph Links Verlag 2003
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