19.2.2004
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«McKinsey kommt»
Rolf Hochhuth und das Missverständnis vom
«politischen» Theater: Ein Premierenbericht aus dem ostdeutschen
Brandenburg.
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Von Andreas Fanizadeh © Die Wochenzeitung, Zürich, 19.02.2004
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«Immer mehr Menschen werden immer weniger gebraucht. Lohnlos in sinnentleerten Existenzen abgetaucht, verlieren sie ihre Identität; mit dem Markt- auch den Eigenwert: Leichter austauschbar als jedes Gerät - wie Kippen weggekehrt.» Die Stadt Brandenburg ist sicher ein guter Hintergrund für ein Theaterstück über grassierende Arbeitslosigkeit und explodierende Managergehälter. In der ostdeutschen Provinzstadt (75 000 EinwohnerInnen) sind zwanzig Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos. Und von den Managergehältern eines Josef Ackermann - über zehn Millionen Franken jährlich - können auch nach Tarif bezahlte Beschäftigte überall nur träumen. Ackermann, Chef der Deutschen Bank, ist Lieblingsfeind in Hochhuths neuem Drama «McKinsey kommt». Den Prolog am Premierenabend in Brandenburg bestreitet ein populär plaudernder Schauspieler, Ackermann parodierend, die Finger zum Victoryzeichen gespreizt. Der Manager startete kürzlich mit dieser aufreizenden Geste in seinen Düsseldorfer Prozess, was ihm weithin übel genommen wurde. In Düsseldorf geht es um die Prüfung der millionenschweren Abfindungen, die bei der Übernahme von Vodafone an Mannesmann-Manager geflossen sind und deren Höhe ausserhalb des Klubs der Betuchten niemand für selbstverständlich hält. In diesen Zusammenhang hinein deponiert Hochhuth eine anklagende «Warnung» an Ackermann: «Für Josef Ackermann jährlich Euro 6,95 Millionen. Beirrt ihn, dass er 14,31 Prozent Deutsche Banker entlässt? Die Kosten dem Staat aufhalst, den die Wirtschaft erpresst? Burkhardt nennt Mord «Hilfsmittel, da man Richter wird. Bei Abwesenheit aller legalen Rechtsmittel» (...) «Tritt» A. nur «zurück» wie Gessler durch - Tell? » Schleyer, Ponto, Herrhausen warnen. » Die deutschen Spitzenmanager Hanns-Martin Schleyer, Jürgen Ponto und Alfred Herrhausen wurden allesamt durch Attentate der Rote Armee Fraktion (RAF) getötet. «Bei Abwesenheit aller legalen Rechtsmittel», soll dies nach Hochhuth nun bedeuten: bei Rationalisierung künftig Mord? Kein Wunder also, dass die vom dtv-Verlag vor Weihnachten ausgelieferte Buchfassung von «McKinsey kommt» eine hitzige Debatte nach sich zog. Der bedrängte Hochhuth berief sich in seinen Überlegungen zum Tyrannenmord auf die Freiheit der Kunst. Unbeirrbar legte er in Fernsehinterviews nach. Und die Deutsche Bank sah angeblich nur von einer Anzeige ab, da sie wegen des Düsseldorfer Prozesses keine weiteren lästigen Diskussionen brauchen kann.
Wodka und Kalaschnikow Die Premiere an der kleinen Brandenburger Provinzbühne (sechs feste Ensemblemitglieder) stand am 13. Februar jedenfalls unter überregionaler Beobachtung. So einen Rummel hat das in Abwicklung begriffene Theater in Brandenburg schon lange nicht mehr erlebt. Sämtliche Aufführungen sind bis Anfang April ausgebucht. Der Intendant, laut eigenen Angaben auch schon «ein alter Fahrensmann», bedankte sich an der Premierenfeier bei der Brandenburger Politik, die ihm half «mutig zu bleiben», um das Ganze «durchzustehen».
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