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Auf die Strasse, Tage des Zorns
Aus: Woher der Wind weht, Seite 39-57
Von Ron Jacobs
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gelegen war. Weather hatte dieses Ziel ausgewählt, weil die Studierenden an diesem College für einfache Büro- und Verwaltungsjobs ausgebildet wurden, wo sie dann überwiegend Schwarze herumkommandieren würden. Eine Gruppe von neun Frauen »drang Sprechchöre rufend in einen Seminarraum ein und verbarrikadierte die Tür mit dem Pult des Dozenten. Mehrere Angehörige des Kaders versuchten mit den Studenten, die gerade eine Abschlußprüfung absolvierten, über die Aktionen in Chicago, über Imperialismus, Rassismus und die Unterdrükkung der Frau zu reden«. Nachdem sie einige Minuten zugehört hatten und zunehmend wütend wurden, weil ihre Prüfung unterbrochen worden war, versuchten ein paar Studenten, die Frauen von Weather beiseite zu drängen, um den Raum zu verlassen. Es kam zu einer Schlägerei, wobei es Weather nicht gelang, zu verschwinden, bevor die Polizei eintraf. Die neun wurden verhaftet und wegen ordnungswidrigem Verhalten angeklagt. [11] Zu diesem Zeitpunkt funktionierten lokale Kollektive autonom und organisierten Aktionen, die einen stark regionalen Bezug hatten. Die Leitungskader (das Weatherbureau, wie es später genannt wurde) nahmen auf die einzelnen Kollektive insofern Einfluß, als sie politische Positionen vorgaben und überregionale Aktionen organisierten. Die Kollek- tive finanzierten sich auf unterschiedliche Weise. Einige der Mitglieder lebten immer noch von Ersparnissen oder von Geld von Verwandten. Andere arbeiteten in bürgerlichen Berufen, dealten mit Drogen oder bekamen Sozialhilfe. Auch diejenigen, die noch am College waren, erhielten in irgendeiner Form finanzielle Unterstützung. Einen Teil dieser Mittel legten die jeweiligen Kollektive zusammen. Das Weatherbureau ergänzte sein Einkommen als Kollektiv durch Mitgliedsbeiträge und Zahlungen, die ihm als nominellen Vorstand des SDS zustanden. Das war zu keinem Zeitpunkt besonders viel. Mit dem Aufbau der Organisation war Weatherman auch darum bemüht, die Spuren bürgerlicher Ideologie bei den Mitgliedern zu tilgen. Von Chicago aus suchten die Leitungskader Kollektive im ganzen Land auf. Leute wie Rudd oder JJ wählten unter den Aktivistinnen und Aktivisten jene aus, die am ehesten geeignet schienen, die lokale Leitung zu übernehmen. In Marathonsitzungen wurde Kritik und Selbstkritik geübt und die politische Standfestigkeit überprüft, bisweilen war auch LSD im Spiel. Man betrieb das, um einen fest entschlossenen, disziplinierten und autonomen Fokus von Straßenkämpfern aufzubauen. Solche Maßnahmen richteten sich zudem gegen die Macht von einzelnen in den lokalen Kollektiven, deren Vorstellungen möglicherweise mit den Gesamtinteressen der Organisation kollidierten. Auch monogame Beziehungen lehnte Weather ab. Die Gruppe war überzeugt, daß Mitglieder, die in solchen Beziehungen lebten, weniger risikobereit seien und der Wunsch, eine Beziehung aufrechtzuerhalten, einem konsequenten Verhalten entgegenstand. Die Kritik der Monogamie war erklärtermaßen ein Versuch, mit männlicher Vorherrschaft in der Organisation zu brechen. Die häufig autoritäre Art, mit der dieses Programm durchgezogen wurde, führte jedoch zu zahlreichen Konflikten und emotionalen Belastungen. Ideologisch war man sich einig, daß dies der Notwendigkeit geschuldet sei, von der der afrikanische Revolutionär Amilcar Cabral gesprochen hatte, nämlich »als Klasse Selbstmord zu begehen«, um die Revolution führen zu können. Weather organisierte entlang der Linie, daß, »wer das Spiel der Pigs spielt«, ein Feind ist.[12] Rudd verteidigte diese Haltung in den New Left Notes: Die herrschende Elite der USA sicherte ihre Macht durch die Arbeitsteilung zwischen »dem Pfaffen und dem Henker«; und wenn die friedfertige Überredungskunst des Pfaffen nicht mehr weiterkam, mußte eben der Henker sein Handwerk tun, um für Ordnung zu sorgen. Lehrer oder andere Staatsangestellte aus ihrer Verantwortung zu entlassen, nur weil sie vielleicht mit den besten Absichten zu Opfern
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Woher der Wind weht
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Ron Jacobs
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Eine Geschichte des Weather Underground
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192 Seiten
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1. Auflage 1999
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ISBN: 3-89408-084-1
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Preis: € 14.90 sFr 10
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(zzgl. Porto+Versand) |
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