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  Seite 2/7
Vorwort Erfindung der weißen Rasse

Aus:
Die Erfindung der weissen Rasse, Seite 7-23

Von Jost Müller

Nicht zuletzt die Tatsache, daß sich in der ersten Periode der Kolonisierung des nordamerikanischen Festlands im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts weiße wie schwarze Landarbeiter nach dem Muster der Schuldknechtschaft in zeitlich befristeter Leibeigenschaft auf den Tabakplantagen in Virginia verdingen mußten, macht deutlich, daß deren englische Besitzer zunächst keine rassistische Segregation der Arbeitskräfte vornahmen. Auch in dieser Hinsicht erweist sich also die psycho-kulturelle Argumentationsweise als unzulänglich. Hinzu kommt jedoch noch der theoretisch-methodische Einwand, daß in diesem Ansatz historischer Forschung, nicht nur der Rassismus der Sklaverei, sondern mehrnoch die ideologische Rassenkonstruktion dem Rassismus und der historischen Wirkungsweise rassistischer Unterdrückung, hier der Sklaverei, immer schon vorausgesetzt ist. Mit anderen Worten: Das, was die historische Forschung erbringen soll, die Konstitutionsbedingungen von rassistischer Versklavung offenzulegen, wird als sekundäres, ableitbares geschichtliches Phänomen behandelt; und so stößt dieser Ansatz den Historiker in den Abgrund anthropologischer Abhandlungen oder psychologisierender Romane zurück, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert kultiviert wurden.
          Das Muster ist nachzulesen bei Thomas Jefferson, Gouverneur
von Virginia und späterer dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, in Notes on the State of Virginia aus den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts. Zur Frage der Freilassung der Sklaven, damals ein Synonym für »Schwarze« oder »Neger«, heißt es im 13. Kapitel, in dem Jefferson sich mit dem Rechtssystem befaßt: »Man wird wahrscheinlich fragen: Warum nicht die Schwarzen hierbehalten und in den Staat eingliedern, um auf diese Weise die Kosten zu sparen, die anfallen, wenn weiße Siedler importiert werden, um die Lücken zu füllen? Tief verwurzelte Vorurteile bei den Weißen, zehntausend Erinnerungen der Schwarzen an die ihnen zugefügten Verletzungen; neue Provokationen, die wirklichen, naturbeschaffenen Unterschiede und viele andere Umstände würden uns aufteilen in Parteien und Erschütterungen verursachen, die wahrscheinlich nie enden würden, es sei denn, die eine oder die andere Rasse wäre ausgelöscht.« Es folgt eine lange Betrachtung über die physische und psychische Beschaffenheit der »Schwarzen«, über ihre sittlichen und kulturellen Fähigkeiten, etwa ihren vermeintlichen Mangel an »Vernunftdenken « und an »Empfindungsvermögen« in der Liebe, über ihre Musikalität, aber Unfähigkeit zur Poesie, das ganze Arsenal an stigmatisierenden Zuschreibungen, das sich der Jurist, Politiker, Diplomat und Tabakplantagenbesitzer Jefferson zurechtgelegt hat, um sich im Glauben an die Superiorität der Weißen zu bestärken und seine Apartheidsthese zu untermauern.
          Schließlich hebt er zu einem kühnen universalgeschichtlichen Vergleich an: »Bei den Römern erforderte die Emanzipation nur eine Anstrengung. Der befreite Sklave durfte sich vermischen, ohne daß er das Blut seines Herrn befleckt hätte. Doch bei uns ist eine zweite, in der Geschichte unbekannte Anstrengung erforderlich. Wird er befreit, muß er so weit entfernt werden, daß keine Vermischung möglich ist.«
          Mit solchen Auffassungen stand Jefferson, wie sich denken läßt, im 18. Jahrhundert keineswegs allein; bei Hume (Of National Characters, 1753), Voltaire (Essai sur les moeurs et l’esprit des nationes, 1756), Rousseau (Emile ou de l’Education, 1762), Kant (Von den verschiedenen Rassen der Menschen, 1775) und vielen anderen finden sich ähnliche Zuschreibungen; legitimatorische Rekurse auf die antiken Sklavenhaltergesellschaften, auf deren Kolonisationspraxis, auf klimatische und physische Bedingungen sowie psychische und intellektuelle Fähigkeiten prägten den philosophischen Diskurs weitgehend. Noch Hegel meinte in den zwanziger Jahren des folgenden Jahrhunderts: »Der einzige wesentliche Zusammenhang, den die Neger mit den Europäern gehabt haben und noch haben, ist der der Sklaverei. In dieser sehen die Neger nichts ihnen Unangemessenes, und gerade die Engländer, welche das meiste zur Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei getan haben, werden von ihnen selbst als Feinde behandelt.« Hegel, der sich an dieser Stelle seiner Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte für die »allmähliche Abschaffung der Sklaverei« ausspricht, hält die Rebellion der Sklaven letztlich für einen Aufstand des Naturzustands gegen die Gesellschaft. Um dies aber zu vermeiden, müsse der Staat zuerst für deren »Erziehung, eine Weise des Teilhaftigwerdens höherer Sittlichkeit und mit ihr zusammenhängender Bildung« Sorge tragen, bevor der Zustand der Sklaverei aufgehoben werden könne.

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Die Erfindung der weissen Rasse
Theodor W. Allen
Rassistische Unterdrückung und soziale Kontrolle (Band 1)
340 Seiten
1. Auflage 1998
ISBN: 3-89408-078-7
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