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  Seite 7/7
Die Ermordung Aldo Moros

Aus:
Mit offenem Blick, Seite 131-141

Von Curcio

diese extreme Zuspitzung würden nicht mehr die gleichen sein wie zuvor. Die BR waren unter anderen Bedingungen ent- standen und auch nicht darauf vorbereitet, ein derartiges Konfrontationsniveau durchzustehen. Die militärische Konfrontation sollte nicht weiter zugespitzt werden, statt dessen schien es ratsam die Geschichte unserer Organisation abzuschließen. Das stand alles in dem Kommuniqué, das von sämtlichen Genossen des Turiner Prozesses unterzeichnet war. Dieses Papier war von 1978 bis ’81 Ausgangspunkt zahlloser Konflikte. Niemand von den Externen konnte auf die von uns aufgeworfenen Fragen eine befriedigende Antwort geben.

Öffentlich, im Turiner Gerichtssaal, habt ihr euch aber weiterhin hinter die BR gestellt. Warum?
Ich hielt es für richtig, die interne Diskussion der Organisation von der öffentlichen zu trennen. Ich identifizierte mich trotz allem mit der Geschichte der Roten Brigaden und konnte sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, wie etwas, das einen nicht mehr betraf. Im Prozeßsaal herrschte am Tag nach dem Tode Moros eine dramatische Anspannung. Eine Stille, die noch viel bedrohlicher war, als jene, die uns vor fünfundfünfzig Tagen begrüßt hatte. Richter Barbaro hoffte sicherlich, daß wir nichts sagen würden. Ich bat aber um das Wort. Er antwortete: »Wenn es den Prozeß betrifft, habe ich keine Einwände.« »Ja, es betrifft entsprechende Angelegenheiten«, sagte ich. Wir hatten ausgemacht, daß ich einen Satz von Lenin zitieren sollte. Ich sprach gewählt, um ruhig zu erscheinen, und skandierte: »Der Tod eines Klassenfeindes ist der höchstmögliche menschliche Akt in einer in Klassen aufgeteilten Gesellschaft ...« Das war ganz offensichtlich ein sich selbstversicherndes Ritual, ein Taschenspielertrick, um diesen bitteren Moment überstehen zu können. Wir wußten, daß wir vor dem Ende einer historischen Erfahrung standen. Aber in den wenigen Stunden war es uns nicht möglich, dies in einen präzisen Diskurs umzusetzen. Die Carabinieri ließen mich nicht ausreden. Sie kamen in den Käfig, rissen mich hoch und warfen mich aus dem Saal. Franceschini ergriff das Wort und wurde ebenfalls rausgetragen. Dann waren Maurizio Ferrari und die anderen an der Reihe. Alle versuchten, denselben Satz zu wiederholen, um damit zu zeigen, daß wir noch militant und in einer Organisation vereint waren. Der Satz war nicht so wichtig. Es war eher eine stärker nach innen gerichtete Demonstration als der Versuch, andere davon zu überzeugen.
 





 
  
Mit offenem Blick
Renato Curcio
Zur Geschichte der Roten Brigaden. Ein Gespräch mit Mario Scialoja.
205 Seiten
1. Auflage 1997
ISBN: 3-89408-068-X
Preis: € 16   sFr 30 
(zzgl. Porto+Versand)
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