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Die Ermordung Aldo Moros
Aus: Mit offenem Blick, Seite 131-141
Von Curcio
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18. 1978 die Entführung Aldo Moros
Wie hast du davon erfahren, daß sie Aldo Moro enführt hatten? An einem noch kalten Morgen im März war ich mit Bertolazzi auf dem Hof. Wir liefen den schmalen, von Drahtzäunen umschlossenen Betonweg rauf und runter. Ich befand mich wegen des ersten BRProzesses, der 1976 begonnen hatte, aber wegen fehlender Geschworener verschoben und aus anderen Gründen unterbrochen wurde, im Gefängnis Le Nuove in Turin. Ein etwas zerzauster Junge, der wegen Drogengeschichten einsaß, hockte allein in einer Ecke. Er lauschte dem kleinen Radio, das er in der Hand hielt. Irgendwann entfuhr es ihm mit lauter Stimme: »Boah, sie haben Moro entführt!« Wir schauten uns an und fingen an zu lachen. Wir dachten, es sei ein dummer Scherz. »Moro wer?« fragten wir wie die Idioten. »Moro, Moro, den Politiker ... aus Rom«, antwortete er, indem er den Kopf hob und uns mit leicht ironischer Miene anschaute. Da hatten wir begriffen, daß es stimmte. Wir waren verwirrt. Wir wußten nicht, ob es sich um eine Aktion der Roten Brigaden handelte, aber wer sonst könnte sie durchgeführt haben? Es schien uns eine bedeutungsvolle Angelegenheit zu sein. Unsere Gefühle überschlugen sich: Besorgnis, Neugier und auch Furcht. Wir ahnten gleich, daß ein so aufsehenerregendes Unterfangen großen Einfluß auf das Schicksal der Organisation, aber auch auf unser persönliches Schicksal haben konnte. Währenddessen lehnten sich andere Gefangene, die auch die Radionachrichten gehört hatten, aus den Zellen, um die Meldung durch Zurufe weiterzugeben.
Was machtest du dann? Ich ging zurück in die Zelle, die ich mit Franceschini und Fabrizio Pelli teilte. Es begann eine nervöse Phase. Ein jeder versuchte Informationen, Bestätigungen zu erhalten. Mit der Zeit schien es immer offensichtlicher, daß es die Roten Brigaden gewesen waren, die in der Via Fani agierten. An diesem Punkt kam ein zwiespältiges Gefühl bei uns auf. Verdammt, waren die dort draußen stark! Viel stärker, als wir es uns vorzustellen wagten! Eine derart wichtige Aktion, von solcher politischer Relevanz, konnte eine merkliche Stärkung der Organisation bedeuten, einen qualitativen Sprung in unserer Interventionsmacht. Andererseits tauchten Ängste und Zweifel auf, eine furchtbare Unruhe, nichts zu wissen. Sicher, wenn sie es getan hatten, werden sie die Dinge gut abgewogen haben, versuchten wir uns von der Aktion zu überzeugen. Die Reaktionen würden aber sehr hart sein. Es konnte schlecht enden.
Was würde alles passieren? Wie war deine persönliche Einschätzung dieser Situation? Ich befürchtete ein sehr großes Ungleichgewicht zwischen den politischen Kompetenzen der Roten Brigaden, die draußen agierten, und den politischen Problemen, die eine so wichtige Aktion nach sich ziehen würde. Ich hatte den Eindruck, daß die durchgeführte Aktion eine Nummer zu groß war. Ich war von dem, was Franco Piperno später als die »geometrische Stärke« der Operation definieren sollte, ganz und gar nicht beeindruckt. Militärisch schien mir die Operation nicht außerhalb der Fähigkeiten der Roten Brigaden zu liegen. Läßt man die Tötung der Beamten der Eskorte außer acht, so handelte es sich um eine Entführung à la Sossi, die lediglich größer angelegt war. Mir war aber bewußt, daß mit Moro der Kopf eines weitreichenden politischen Entwurfs getroffen wurde, und daß die Aktion wohl gravierende politische als auch polizeiliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Es konnte auch keinen Zweifel geben, daß es für uns im Knast ein hohes Risiko bedeutete. Stammheim war erst wenige Monate her. Ich hatte Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin einige Male in Mailand getroffen; ihr Tod im Knast hing wie ein Felsbrocken über unseren Köpfen.
Habt ihr wirklich mit dem Schlimmsten gerechnet? Ich weiß nicht, ob es wirklich die Angst war, dabei mit draufzugehen. Aber wir hatten sicherlich begriffen, daß, wenn die Angelegenheit einen schlechten Lauf nimmt, auch wir mit nicht
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Mit offenem Blick
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Renato Curcio
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Zur Geschichte der Roten Brigaden. Ein Gespräch mit Mario Scialoja.
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205 Seiten
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1. Auflage 1997
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ISBN: 3-89408-068-X
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Preis: € 16 sFr 30
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