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  Seite 2/7
Die Ermordung Aldo Moros

Aus:
Mit offenem Blick, Seite 131-141

Von Curcio

irrelevanten Konsequenzen zu rechnen hätten. Was tun? Wir begannen sofort eine Diskussion im Knast. Wir beschlossen folgende Linie: Wir durften unter keinen Umständen in diese Angelegenheit mit hereingezogen werden; die Gefangenen waren eine Sache und die, die draußen agiert hatten, eine andere; wenn irgend jemand versuchen sollte, uns als Vermittler ins Spiel zu bringen, würden wir uns weigern. In erster Linie, weil wir zu diesem Zeitpunkt wirklich keinerlei Kontakt zu der externen Organisation hatten, mit der wir außerdem seit über einem Jahr eine harte Auseinandersetzung führten. In zweiter Linie, weil wir uns ansonsten in eine sehr gefährliche Situation manövriert hätten, wenn es uns gelungen wäre, eine Verbindung herzustellen. Das Drama von Stammheim hatte das gezeigt. Also trafen wir die Entscheidung, uns in jeder Hinsicht von der Angelegenheit fernzuhalten.

Aber in den Erklärungen, die ihr im Turiner Gerichtssaal verlesen habt, habt ihr eure vollständige Solidarität mit dem Entführungs-Kommando erklärt.
Das war die offizielle Position. Wir sagten uns, wir seien Militante der BR und mußten im guten wie im schlechten ideologisch und politisch die Entscheidungen der Organisation vertreten. Später würden wir eventuell die Möglichkeit haben, die Aktion und ihren Ausgang zu diskutieren. Jetzt mußten wir Solidarität zum Ausdruck bringen, und damit basta.

Du hast dich praktisch zweigleisig bewegt, dachtest etwas anderes, als du öffentlich vertreten hast. Ist das richtig?
Ich würde nicht von zwei Gleisen reden, das scheint mir aufgesetzt. Tatsache ist, daß ich ein Militanter der BR war, der sich in einer absolut außergewöhnlichen Situation befand. Wir spürten, daß der Druck des ganzen Landes, ich würde fast sagen der ganzen Welt, auf uns lastete. Wir mußten diese Realität, die um uns herum alles zum Explodieren brachte, miteinbeziehen. Wir konnten nicht so tun, als ob es uns nichts anginge, und uns abseits halten. Andererseits war ich persönlich noch völlig unschlüssig und unsicher. Der Moment schien mir nicht geeignet, dies zum Ausdruck zu bringen, dies sollte später kommen.

Wie wird es enden? Das ist sicher eine Frage, die du dir von Anfang an gestellt hast. Hast du gedacht, daß die Entführung mit der Freilassung Moros beendet sein würde, so wie es einst mit Staatsanwalt Sossi geschehen war?
Ich habe es mir gewünscht. Ich dachte, es sei die intelligenteste Lösung, aber ich hatte keine Anhaltspunkte, um einschätzen zu können, wie wahrscheinlich das sein würde. Im Fall des Staatsanwalts Sossi wollten wir nicht einen Menschen umbringen, sondern eine Propaganda-Aktion durchführen. Wir stellten unsere Fähigkeit unter Beweis, einen Gefangenen fünfzehn Tage lang festzuhalten, und erreichten eine große Popularität. Wir trafen die Entscheidung, den Staatsanwalt am Leben zu lassen, auch wenn der Staat mit seinen Betrügereien alles dransetzte, die Geschichte tragisch enden zu lassen. Damals gingen wir weder unversöhnlich noch naiv vor, sondern gaben der politischen Reflexion den Vorzug. Bei Moro hing die Entscheidung nicht mehr von mir ab. Die Logik der BR hatte sich verhärtet, ihre Optik hatte sich verändert. Ich hatte keinerlei Vertrauen. Dennoch kam Hoffnung auf, als die externen Genossen vorschlugen, Moro im Tausch gegen einige politische Gefangene freizulassen. Es blieb noch ein kleiner Schimmer der Hoffnung auf eine positive Lösung. In anderen Staaten konnten ja Gefangenen-Austausche erreicht werden: mit den Tupamaros in Uruguay, in Deutschland mit Lorenz81. Ich hoffte, daß die Forderung nach Freilassung von dreizehn politischen Gefangenen eine symbolische Forderung sei, eine für die Verhandlung; in Wirklichkeit würden die Genossen annehmbare Kompromisse eingehen. Bei einer so aufsehenerregenden Entführungsaktion müßte es auch in Italien jemanden geben, der wohl imstande sein sollte, sich eine akzeptable Lösung einfallen zu lassen: Vielleicht hätte dies ein indirekter

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Mit offenem Blick
Renato Curcio
Zur Geschichte der Roten Brigaden. Ein Gespräch mit Mario Scialoja.
205 Seiten
1. Auflage 1997
ISBN: 3-89408-068-X
Preis: € 16   sFr 30 
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