Gneisenaustraße 2a 10961 Berlin
Über uns
Home
Der Verlag
News
Veranstaltungen
Bücher
Neu/Buchtipps
Lieferbare Titel
Die Beute
Restexemplare
Verzeichnis
Titel von A-Z
Autor von A-Z
Erscheinungsjahr
Broschüren
Kontakt
Newsletter
AGB
Impressum
Links
Suchen
Leseprobe

Seiten    1  2  3  4  5  6  7 

Zurück  

  Seite 5/7
Die Ermordung Aldo Moros

Aus:
Mit offenem Blick, Seite 131-141

Von Curcio

die der BR Erfolg und Ausdauer wünschten. Sehr viele mit Unterschrift und Adresse. Diejenigen, die schrieben, sagten nicht explizit, daß sie in die Roten Brigaden eintreten wollten, aber sie drückten Solidarität und Bewunderung aus. Zusammengefaßt lautete ihre Botschaft: »Ihr handelt richtig, diese Welt ist verrottet und muß verändert werden, wie gut, daß es euch gibt!« Aus Deutschland habe ich sogar zwei Postanweisungen über eine halbe Million Lire erhalten, »als Ausdruck militanter Unterstützung«. Sie wurden mir von der Gefängnisverwaltung ausgehändigt, aber ich nahm das Geld nicht an, es hätte eine Provokation sein können. Ich wollte nicht eines Tages mit dem Vorwurf konfrontiert sein, Geld von irgendeinem Geheimdienst bekommen zu haben. Ich weiß noch, wie meine Ablehnung den Schließer verblüfft hatte und er mich zu überzeugen versuchte: »Seien Sie kein Dummkopf, das ist ein hübsches Sümmchen; eines Tages werden Sie es bereuen, das ganze Geld wieder an den Absender zurückgeschickt zu haben ...«

So vergingen also die fünfundfünfzig Tage der Entführung. Hattet ihr mit der Meldung von der Ermordung Aldo Moros gerechnet oder wart ihr davon überrascht?
Unerwartet kam sie ganz sicher nicht. In den letzten Tagen und Wochen hatten die Ereignisse, die ich vom Knast aus verfolgte, mich extrem pessimistisch gestimmt. Es war bestürzend und kaum nachvollziehbar, daß sich das politische System Italiens zwei Monate lang weigerte, eine Strategie zur Auseinandersetzung mit den Roten Brigaden zu formulieren. Ich konnte nicht verstehen, warum niemand in der Lage war, über die Entscheidung, im Fall Moro nichts zu entscheiden, hinauszugehen ...

Warum redest du von einer »Entscheidung, nichts zu entscheiden«? Die Mehrheit der politischen Kräfte hielt die Entscheidung, mit den Roten Brigaden nicht zu verhandeln, sehr wohl für eine Entscheidung. Und zwar für die richtige ...
Meiner Meinung nach entsprach die Entscheidung, nicht zu verhandeln, der, nichts zu entscheiden. Ich entscheide nichts und hoffe, daß in der Zwischenzeit irgendetwas passiert; ich hoffe, daß die Brigadisten nachgeben, daß sie gefunden werden ... Darauf beschränkten sich die politischen Überlegungen jener Tage. Das bedeutete zweifellos, Moro zum Tode zu verurteilen. Die BR sagten in der Zwischenzeit nur noch: Ihr müßt etwas tun, auch wenn es nur etwas Kleines ist, auch nur etwas Symbolisches, aber ihr müßt irgendetwas Sichtbares tun.

Es gab einige, wie Franco Piperno, ein Anführer aus dem Autonomia-Umfeld, die meinten, daß eine »politische Anerkennung« der BR durch die Democrazia Cristiana schon gereicht hätte, um Moro zu retten. Es gibt viele Gerüchte über eine kurze Erklärung, die Fanfani genau an dem 9. Juni vor der versammelten Leitung der DC in Piazza del Gesù hätte halten sollen, dort aber nicht rechtzeitig eintraf. Wäre deiner Ansicht nach eine Initiative dieser Art für Moretti und die Genossen ausreichend gewesen?
Persönlich dachte ich nicht, daß ein Satz eines Christdemokraten oder eines anderen Politikers in Italien viel wert sei. Für Moros Leben verlangten die BR eine politische Handlung und nicht nur Worte. Die Aktion zielte auf die Freilassung von einigen politischen Gefangenen. So hatten sie es öffentlich erklärt. Sie verlangten dreizehn. Man hätte sich auf zwei oder vielleicht auch einen einzigen einigen können. Aber selbst das war ihnen einer zu viel. Ich konnte später im Knast mit Moretti83 und den anderen Genossen, die die Aktion durchgeführt hatten, reden. Zu dieser Geschichte von der »politischen Anerkennung«, dieser eine von einem Christdemokraten zu sprechende Satz, konnte er nur müde lächeln. Die BR haben während der Entführung Moros genug Anerkennungen erhalten: Erklärungen des Papstes84, des Präsidenten der Vereinten Nationen, die Diskussion in der Öffentlichkeit ... Es bedurfte keiner Erklärung eines Politikers, um die Existenz der BR festzustellen. Es war eine Tatsache, daß die Roten Brigaden

Weiterlesen
 





 
  
Mit offenem Blick
Renato Curcio
Zur Geschichte der Roten Brigaden. Ein Gespräch mit Mario Scialoja.
205 Seiten
1. Auflage 1997
ISBN: 3-89408-068-X
Preis: € 16   sFr 30 
(zzgl. Porto+Versand)
Bestellbar hier direkt oder im Buchhandel.

bestellen